Comics Screenreadable Transkribieren

Einleitung: Warum Bildbeschreibungen für online Comics

Wenn mein Comic nicht nur visuell zugänglich sein soll, sondern auch taktil oder akustisch, braucht es eine Transkription in reinen Text. Dabei werden die visuellen Elemente des Comics beschrieben und der vorhandene Text ausgeschrieben. Beides ist maschinenlesbar, zum Beispiel von Screenreadern. Lesende können sich den Text mit Text-to-speech Systemen vorlesen lassen oder ihn mit Braillezeile haptisch lesen.

Warum ich Comics überhaupt anderes als visuell zugänglich machen will, hat sehr viel mit meinem Publikum zu tun. Darum ging es in meinem ersten Artikel zu screenreadable Comics, der auch eine Liste aller der von mir transkribierten Comics enthält.

Den ersten Workshop „Comics Screenreadable Transkribieren“ habe ich im September 2020 für Comiczeichner_innen angeboten. Beim Workshop standen drei Ziele des Transkribierens im Mittelpunkt. Erstens soll das Comic für mehr Menschen zugänglich werden. Zweitens ermöglicht eine Transkription in reinen Text die Durchsuchbarkeit des Textes und ermöglicht das ergoogeln von Inhalten. Drittens stellt das Transkribieren ein Werkzeug für die Analyse und Kennenlernen der eigenen Arbeit als Comiczeichner_in dar.

Beim Transkribieren muss ich Entscheidungen über die Übertragung der visuellen Elemente treffen und lerne dabei mein eigenes Storytellling, meine Kameraführung und meine Bildsprache auf eine neue Art kennen. Die Transkription eines fertigen Comics in reinen Text ist also ein Werkzeug für die Weiterentwicklung als Comickünstler_in. Das verstärkt sich im Workshopkontext noch durch den Austausch mit anderen Menschen, die Comics machen. Im Workshop ging es um eine Vielzahl von Aspekten. Das Storytelling und die Detailtiefe werde ich hier kurz näher beleuchten. Aber zuerst die mittlerweile fertig gestellten Transkriptionen.

Links zu den fertigen Transkripten des Workshops

Nicht nur die Comics selber decken verschiedene Genre und Herangehensweisen ab, auch die Transkriptionen offenbaren eine persönliche Handschrift der Transkribierenden.

Messy Parent Gender Transition
Comic und Transkription von Joris Bas Backer, auf englisch.

Ach, so ist das?! : Thomas, Markus, Haias
Comic von Martina Schradi, Transkription von Verena Maser, auf deutsch.

Spiele
Comic von Nadia Bader und Gabriel Andres, Transkription von Nadia Bader, auf deutsch.

Pansexualität
Comic und Transkription von Lena Dirscherl, aka BoPoLena, auf deutsch

Herero Ecke Waterbergstraße
Comic und Transkription von Illi Anna Heger, auf deutsch.

Storytelling

In einem Comic wird die Geschichte von verschiedenen Ebenen getragen. Das Storytelling entsteht durch die Kombination von Dialog in Sprechblasen, von erzählendem Text und von der Bildsprache.

Beim Transkribieren steht für die Geschichte im Mittelpunkt. Sie ist wichtiger als Vollständigkeit und die exakte Reihenfolge aller Elemente. Mein Ansatz beim Transkribieren ist es zunächst alle Textelemente zu übertragen und die visuellen Elemente knapp zu beschreiben. Danach bleibt das visuelle Comic beiseite und ich arbeite mit der Rohtranskription. Ich ordne seine Bestandteile so, dass das Storytelling funktioniert. Ich gruppiere Absätze aus ein bis zwei Panels mit zwei bis drei beschreibenden Elementen.

Manche Comics haben mehrere erzählerische Ebenen: eine Phantasiewelt im Kontrast zur realen Welt oder Sprünge zwischen verschiedenen geschichtlichen Epochen. Diese unterschiedlichen Ebenen sind wichtig und müssen von der Transkription mit abgebildet werden.

Detailtiefe

Bei der Detailtiefe geht es darum wie ausführlich ich visuelle Element beschreibe. Das Comic selber bringt selbst eine visuelle Detailtiefe mit: wie realistisch und ausführlich sind Hintergründe und Charaktere gezeichnet.

Eine Transkription nur mit dem Text der Sprechblasen und der Zuordnung von Name für die interagierenden Charaktere ist möglich und sehr nah an Theaterskripten. Es eignet sich für Comics die sehr auf dem Dialog basieren. Oft lohnt es sich auch hier die Gesichtsausdrücke und die Stimmung der Panels mit zu beschreiben.

Die Erwähnung von vielen Details liest sich zum Teil sehr anstrengend. Es stellt sich die Frage welche Details nötig für die Geschichte sind. Würden sich visuell Lesende jedes einzelne gezeichnete Detail lange anschauen oder nur schnell die Atmosphäre erfassen. Wie viele visuelle Details ich beschreibe hängt sehr vom Comic und seiner Struktur ab.

Workshop

Für einen online Workshop ist es sinnvoll eine kleine Gruppe zu haben. Beim Zusammenarbeiten sehen wir uns die meiste Zeit nicht, weil wir auf die Comics und deren entstehende Transkription in gemeinsamen Textdokumenten schauen. Alle Teilnehmer_innen hatten im Vorhinein ein online Comic zum Transkribieren ausgewählt und begonnen die ersten paar Panels auf gut Glück zu transkribieren. Es macht Sinn sich anzuschauen was für unterschiedliche erste Ansätze nebeneinander stehen. Diese ersten Texte bildeten die Grundlage dafür sich die verschiedenen Aspekte beim Transkribieren näher anzuschauen. Was funktioniert für die Lesenden und was kann noch optimiert werden kann. Es ist wichtig die Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Zugänglichkeit wird auch ohne Perfektion oder die genau richtige Sprache schon möglich. Jede Transkription ist maschinenlesbar. Natürlich ist bei geschmeidigen Formulierungen, mit dem passenden Ton und der richtigen Detailtiefe das Lesen angenehmer. Transkribieren ist jedoch ein Prozess, bei dem sich auch das Verständnis der eigenen Arbeit entwickelt.

Bei der Arbeit mit meinen eigenen Comics merke ich wie viel einfacher es mit der Erfahrung wird Entscheidungen beim transkribieren zu treffen. Der jeweilige Transkriptionsstil hängt auch vom Comic selbst ab. Transkribieren ist eine Form von Übersetzung und in sich selbst eine Kunstform.

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